Neues, wegweisendes Urteil gegen Volkswagen im Dieselskandal bei dem VW-Motor EA 288: Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung.

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Oberlandesgericht Naumburg, Urteil v. 09.04.21, AZ 8 U 68/20

Der Kläger kaufte privat im Oktober 2017, nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals, bei einem Händler einen gebrauchten VW Golf VII 2.0 TDI mit einem verbauten VW-Motor EA 288.

Volkswagen hatte im Zuge des Dieselskandals jedoch lediglich Manipulationen an der Abgasreinigung für den Vorgänger-Motor EA 189 eingestanden. Der streitgegenständliche PKW wurde im September 2015 erstmalig zugelassen. Ab dem 30. Mai 2016 verzichtete Volkswagen gemäß Begründung des OLG Naumburg zufolge bei den VW-Motoren vom Typ EA 288 auf die Abschalteinrichtung, welche im Prüfbetrieb die Abgasreinigung änderte.

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg gab der Berufung des Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgericht Halle statt. Im VW-Motor EA 288 TDI 2.0 EU 6 ist nach Ansicht des Gerichts eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, da die Motorsteuerung für den Betrieb auf einem Kfz-Prüfstand und den normalen Fahrbetrieb verschiedene Einstellungen vorsieht, „wobei im Prüfzyklus der Ausstoß an Stickoxiden (NOx-Werte) verringert wird“ über eine Änderung der Katalysatorfunktion. Diese Abschalteinrichtung ist unzulässig, da die dafür in der entsprechenden EU-Verordnung normierten Ausnahmen nicht greifen.

Unter anderem zitierte das OLG Naumburg aus einer vertraulichen „Applikationsanweisung Diesel Fahrkurven EA288 NSK“, dass mittels „Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven“ erkannt werden sollte, ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, „um die Abgasnachbehandlungsevents“ dementsprechend zu platzieren. Im Gegensatz zur Prüfstand-Situation fährt ein PKW im Normalbetrieb immer wieder regelmäßig Kurven. Bei Betrieb auf einem Prüfstand würde dagegen eine besondere Konfiguration aktiviert, welche dafür sorgt, dass der Katalysator „zu Beginn der anschließenden Messung fast leer ist“ und sich dadurch günstig auf die gemessenen Schadstoffemissionen auswirkt.

Laut OLG Naumburg habe Volkswagen die Käufer des streitgegenständlichen PKW mit dem Motor EA 288  in besonders verwerflicher Weise getäuscht, da lediglich die Manipulationen beim Vorgängermotor EA 189 von VW öffentlich eingeräumt worden sei. In der Folge habe Volkswagen lediglich gegenüber dem Kraftfahrbundesamt offengelegt, dass auch im VW-Motor EA 288 eine Abschalteinrichtung verbaut wurde, „wovon die Öffentlichkeit nichts erfuhr“.

Volkswagen habe gegenüber dem Kraftfahrbundesamt argumentiert, dass eine solche Abschalteinrichtung im VW-Motor EA 288 zulässig sei, sofern auch bei ihrer Deaktivierung die Grenzwerte eingehalten würden. Das Kraftfahrbundesamt habe das akzeptiert, damit sei die Behörde jedoch einer „jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrenden Rechtsauffassung“ gefolgt.

Das OLG Naumburg ging bei der Berechnung des Schadensersatzes von einer theoretischen Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometern aus, welche das Fahrzeug erreichen könne. Der Kläger war mit dem streitgegenständlichen PKW lediglich 10.000 km gefahren, so dass für die zwischenzeitliche Nutzung des streitgegenständlichen PKW lediglich knapp 870,00 Euro zum Abzug kamen.

Somit sprach das Oberlandesgericht Naumburg dem Kläger den ursprünglichen Kaufpreis zu, abzüglich einer Entschädigung in Höhe von 870,00 Euro für die zwischenzeitliche Nutzung des Fahrzeugs; insgesamt knapp 21.000 Euro zuzüglich Zinsen, gegen Rückgabe des Fahrzeugs. 

Die Revision wurde vom OLG Naumburg nicht zugelassen, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen bereits geklärt seien. Volkswagen könnte noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen.

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